Radulomyces rickii - ein ungewöhnlicher Corti...
Verfasst: 29.07.2019, 20:36
Servus beinand,
bei einer Kartierungsexkursion in Penzberg (Oberbayern, nicht Österreich, aber nicht sooo weit von der Grenze entfernt) habe ich an einem Hollerast unter einem Weißdorn einen corticioiden Pilz (Corti - ist kürzer) aufgesammelt. Der Corti war recht dicklich, etwas zäh (es war sehr heiß, er war gerade am Eintrocknen) und relativ groß. Also nicht zu übersehen:
(die weißen Kissen sind irgendwas unreifes - weder Mito- noch Meisporen zu sehen)
Unter dem Mikroskop war ich überrascht, denn die Basidien (man muss sie sehr sorgfältig herauspräparieren, dann sieht man das) sind pedunkulat:
Die Fotos sind nicht optimal - ich habe keine Kamera am Mikroskop, deshalb knippse ich auf die Schnelle mit dem Handy durch's Okular... bei dem oberen habe ich versucht, den Stiel zu markieren. Er verschwindet in der Unschärfe und es liegt ein Pigmentflöckchen vom Kongorot drüber - beim Durchfokussieren sieht man es natürlich besser). Beim unbteren Foto sieht man den Anfang des Stiels sehr gut.
Ich kenne pedunkulate Basidien von der Gattung Intextomyces und wurde dadurch völlig auf eine falsche Fährte gelockt. Auch an Phlebiella (s.l. - korrekter Name dürfte Xenasmatella sein) hatte ich gedacht. Da der dünne Stiel auch seitlich ansitzen kann, sehen junge Basidien wie junge Pleurobasidien aus. Die Interpretation der Basidien wird auch dadurch erschwert, dass die Sterigmen und dann die Basidie nach dem Absporen kollabieren. Die Aufsammlung stammt von einem heißen Tag (in einer heißen Wetterperiode - am 6. Juli 2019 - mit vorausgegangenem Gewitter), sodass ich zwar viele alte Basidien hatte, aber kaum sporulierende. Der Pilz hatte vermutlich aufgehört zu sporulieren und dann das Gewitter mit Starkregen genutzt, neue Basidien zu bilden, die aber bis zum Aufsammeln nicht ausreiften). Zudem musste ich den Beleg erst trocknen, bevor ichihn untersuchen konnte (Beruf - noch keine Ferien - Stress) ;-)
Die Sporen sind ziemlich kugelig, dünn- bis etwas dickwandig und cyanophil (also die dickwandigen) und inamyloid:
Die Sporen messen 7,25-8,5 x 6,25-7,5 µm; Q = 1,0-1,2.
Sieht man sehr genau hin, erkennt man immer wieder mal feine Warzen. Mit einem besseren Mikroskop sieht man es sicher besser, aber mein altes Olympus CH2 reicht, das zu erkennen. Manche Sporen haben nebend em Apikulus auch noch eine zweite Ausstülpung. Die Sporen werden daher biapikulat genannt. Freilich ist der zweite Auswuchs kein Apikulus, sondern nur eine Auswachsung der Spore:
Abgesehen von den kräftigen, großen Basidien (ohne Stiel ca. 26-33 x 9,5-11,5 µm) ist der Rest nur ein feines Gewusel - sprich das Subhymenium besteht aus sehr schmalen, verwurschtelten Hyphen und ist daher schwer zu interpretieren / präparieren. Schnallensuche ist daher etwas aufwendig, aber man findet sie natürlich.
(Schnallensuchbild)
Ich muss allerdings gestehen, dass ich Radulomyces rickii schon einmal unter dem Mikroskop hatte - damals frisch und völlig reif mit vielen Sporen. Ich hatte die pedunkulaten Basidien damals zwar gesehen (zum Glück mache ich Notizen), hatte aber nicht so sehr darauf geachtet, weil ich schon makroskopisch bei Radulomyces war und die dickwandigen, cyanophilen Sporen halfen. Jedenfalls kam ich diesmal auf die falsche Fährte und hatte mich beim Bestimmen bei Intextomyces / Xenasmatella (und Ähnliches) verrannt. Ein Tipp von Pablo Schäfer, Radulomyces rickii zu prüfen, half mir dann sofort auf die Sprünge.
Alle von mir hier aufgezählten Merkmale (inklusive der kollabierenden Sterigmen) werden hier wunderbar gezeigt:
Masoomeh Ghobad-Nejhad & Heikki Kotiranta (2007): Re-evaluation of Radulomyces rickii and notes on Radulomyces and Phlebiella (Basidiomycota). Mycotaxon 102: 101-111.
Ich denke, jetzt habe ich die Art endgültig auf meiner internen, biologischen Festplatte gespeichert und werde sie zukünftig direkt erkennen, ohne ich zu verlaufen.
In der Österreichischen Datenbank ist nur ein Fund aus Vorarlberg verzeichnet. Ich habe sie jetzt innerhalb eines Jahres zweimal in Oberbayern gefunden. Der erste Fund stammt aus einem klassischen Auwald, der hier vorgestellte aus einem trockenen, lichten Habitat (sonnenexponierte Wiese mit Gehölzen am Rand einer Böschung). Dieser Corti scheint eine recht große ökologischen Amplitude zu haben. In Mannheim wurde er im Stadtgebiet gefunden (P. Schäfer). Ist die Art nur übersehen worde oder wirklich so selten?
Vielleicht regt dieser Fund dazu an, einen vermeintlichen Radulomyces confluens zu mikroskopieren und genau hinzusehen. Oder habt ihr auch aktuelle Funde, die noch nicht in der Datenbank abrufbar sind? Vielleicht breitet sich der Pilz auch aus?
Liebe Grüße,
Christoph
bei einer Kartierungsexkursion in Penzberg (Oberbayern, nicht Österreich, aber nicht sooo weit von der Grenze entfernt) habe ich an einem Hollerast unter einem Weißdorn einen corticioiden Pilz (Corti - ist kürzer) aufgesammelt. Der Corti war recht dicklich, etwas zäh (es war sehr heiß, er war gerade am Eintrocknen) und relativ groß. Also nicht zu übersehen:
(die weißen Kissen sind irgendwas unreifes - weder Mito- noch Meisporen zu sehen)
Unter dem Mikroskop war ich überrascht, denn die Basidien (man muss sie sehr sorgfältig herauspräparieren, dann sieht man das) sind pedunkulat:
Die Fotos sind nicht optimal - ich habe keine Kamera am Mikroskop, deshalb knippse ich auf die Schnelle mit dem Handy durch's Okular... bei dem oberen habe ich versucht, den Stiel zu markieren. Er verschwindet in der Unschärfe und es liegt ein Pigmentflöckchen vom Kongorot drüber - beim Durchfokussieren sieht man es natürlich besser). Beim unbteren Foto sieht man den Anfang des Stiels sehr gut.
Ich kenne pedunkulate Basidien von der Gattung Intextomyces und wurde dadurch völlig auf eine falsche Fährte gelockt. Auch an Phlebiella (s.l. - korrekter Name dürfte Xenasmatella sein) hatte ich gedacht. Da der dünne Stiel auch seitlich ansitzen kann, sehen junge Basidien wie junge Pleurobasidien aus. Die Interpretation der Basidien wird auch dadurch erschwert, dass die Sterigmen und dann die Basidie nach dem Absporen kollabieren. Die Aufsammlung stammt von einem heißen Tag (in einer heißen Wetterperiode - am 6. Juli 2019 - mit vorausgegangenem Gewitter), sodass ich zwar viele alte Basidien hatte, aber kaum sporulierende. Der Pilz hatte vermutlich aufgehört zu sporulieren und dann das Gewitter mit Starkregen genutzt, neue Basidien zu bilden, die aber bis zum Aufsammeln nicht ausreiften). Zudem musste ich den Beleg erst trocknen, bevor ichihn untersuchen konnte (Beruf - noch keine Ferien - Stress) ;-)
Die Sporen sind ziemlich kugelig, dünn- bis etwas dickwandig und cyanophil (also die dickwandigen) und inamyloid:
Die Sporen messen 7,25-8,5 x 6,25-7,5 µm; Q = 1,0-1,2.
Sieht man sehr genau hin, erkennt man immer wieder mal feine Warzen. Mit einem besseren Mikroskop sieht man es sicher besser, aber mein altes Olympus CH2 reicht, das zu erkennen. Manche Sporen haben nebend em Apikulus auch noch eine zweite Ausstülpung. Die Sporen werden daher biapikulat genannt. Freilich ist der zweite Auswuchs kein Apikulus, sondern nur eine Auswachsung der Spore:
Abgesehen von den kräftigen, großen Basidien (ohne Stiel ca. 26-33 x 9,5-11,5 µm) ist der Rest nur ein feines Gewusel - sprich das Subhymenium besteht aus sehr schmalen, verwurschtelten Hyphen und ist daher schwer zu interpretieren / präparieren. Schnallensuche ist daher etwas aufwendig, aber man findet sie natürlich.
(Schnallensuchbild)
Ich muss allerdings gestehen, dass ich Radulomyces rickii schon einmal unter dem Mikroskop hatte - damals frisch und völlig reif mit vielen Sporen. Ich hatte die pedunkulaten Basidien damals zwar gesehen (zum Glück mache ich Notizen), hatte aber nicht so sehr darauf geachtet, weil ich schon makroskopisch bei Radulomyces war und die dickwandigen, cyanophilen Sporen halfen. Jedenfalls kam ich diesmal auf die falsche Fährte und hatte mich beim Bestimmen bei Intextomyces / Xenasmatella (und Ähnliches) verrannt. Ein Tipp von Pablo Schäfer, Radulomyces rickii zu prüfen, half mir dann sofort auf die Sprünge.
Alle von mir hier aufgezählten Merkmale (inklusive der kollabierenden Sterigmen) werden hier wunderbar gezeigt:
Masoomeh Ghobad-Nejhad & Heikki Kotiranta (2007): Re-evaluation of Radulomyces rickii and notes on Radulomyces and Phlebiella (Basidiomycota). Mycotaxon 102: 101-111.
Ich denke, jetzt habe ich die Art endgültig auf meiner internen, biologischen Festplatte gespeichert und werde sie zukünftig direkt erkennen, ohne ich zu verlaufen.
In der Österreichischen Datenbank ist nur ein Fund aus Vorarlberg verzeichnet. Ich habe sie jetzt innerhalb eines Jahres zweimal in Oberbayern gefunden. Der erste Fund stammt aus einem klassischen Auwald, der hier vorgestellte aus einem trockenen, lichten Habitat (sonnenexponierte Wiese mit Gehölzen am Rand einer Böschung). Dieser Corti scheint eine recht große ökologischen Amplitude zu haben. In Mannheim wurde er im Stadtgebiet gefunden (P. Schäfer). Ist die Art nur übersehen worde oder wirklich so selten?
Vielleicht regt dieser Fund dazu an, einen vermeintlichen Radulomyces confluens zu mikroskopieren und genau hinzusehen. Oder habt ihr auch aktuelle Funde, die noch nicht in der Datenbank abrufbar sind? Vielleicht breitet sich der Pilz auch aus?
Liebe Grüße,
Christoph